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Unternehmen bewerten – Die Praktikermethode

| Jérôme Andermatt

Die Praktikermethode ist eine der bekanntesten Methoden bei Unternehmensbewertungen von KMU in der Schweiz. Bekannt auch deswegen, weil sie bei nicht-kotierten Unternehmen von den Steuerbehörden zur steuerlichen Bewertung eingesetzt wird. Doch wie praktisch ist diese Methode, wenn sie als Basis für einen zwischen zwei Parteien zu verhandelnden Kaufpreis dienen soll? In die-sem Beitrag erklären wir die Methode und schildern, was bei einer Preisverhandlung auf Basis des Praktikerwerts beachtet werden sollte.

Praktikermethode

Bei der Praktikermethode wird aus dem Substanzwert und dem Ertragswert der gewichtete Durchschnitt der beiden Werte ermittelt.

Beim Substanzwert werden die Vermögenswerte eines Unternehmens bewertet. Der relevante Wert für die Bestimmung des Eigenkapitals ist der bereinigte, betriebliche Substanzwert, der soge-nannte Equity-Wert. Er entspricht dem ausgewiesenen Eigenkapital bereinigt um die stillen Reserven, latenten Steuern und nicht betriebsnotwendigen Mittel. Folglich ist der Substanzwert eine Momentaufnahme, wobei weder die Ertragskraft noch die Zukunftsaussichten abgebildet werden.

Bei der einfachen Ertragswertmethode wird der Unternehmenswert durch Kapitalisierung des nachhaltig erzielbaren Gewinnes errechnet. Grundlage bilden dabei die bereinigten Gewinne der letzten Jahre. Insbesondere steueroptimierte und private Aufwendungen sowie nicht marktübliche Eigentümerlöhne sind zu bereinigen. Durch die Gewichtung der vergangenen Jahresergebnisse ergibt sich schliesslich ein nachhaltiger Gewinn. Dieser wird mit einem individuell zu bestimmenden Kapitalisierungssatz kapitalisiert, um den Unternehmenswert zu errechnen. Der Kapitalisierungssatz setzt sich nebst dem risikofreien Zinssatz und der Marktrisikoprämie aus unternehmensspezifischen Risiken zusammen. Um den Equity-Wert zu eruieren, werden allfällige nicht betriebsnotwendige Mittel zum Ertragswert addiert. Bei dieser Methode wird davon ausgegangen, dass zukünftig vergleichbare Gewinne wie in der Vergangenheit erzielt werden. Die Substanz wird nicht berücksichtigt bzw. ist Mittel zum Zweck, damit ein Betriebsgewinn erwirtschaftet werden kann.

In den meisten Fällen wird der Ertragswert doppelt und der Substanzwert einfach gewichtet, da der Ertragskraft in der Regel mehr Bedeutung zukommt, weil eine Unternehmensübernahme bzw. -kauf eine Investition darstellt.

Wert als Grundlage

In der Praxis beobachten wir häufig, dass für die spätere Verkaufspreisfindung von Firmeneigentümern oftmals die Praktikermethode herangezogen wird. Praktisch ist sie deswegen, weil sich die beiden Komponenten Substanz und Ertrag in der Methode vereinen. Dennoch gibt es unseres Er-achtens insbesondere drei relevante Punkte, die in diesem Zusammenhang für eine spätere Preisfindung beachtet werden sollten:

Gewählter Kapitalisierungssatz
Bei der steuerlichen Bewertung gibt die eidgenössische Steuerverwaltung den Kapitalisierungssatz bei der Ertragswertberechnung vor. Aktuell liegt dieser bei 7%. Bei einer Unternehmensbewertung als Grundlage für eine spätere Kaufpreisfestsetzung ist dieser Wert jedoch in den meisten Fällen nicht realistisch, da er die unternehmensspezifischen Risiken gerade bei kleinen Unternehmen zu wenig berücksichtigt. Der Kapitalisierungssatz kann je nach KMU stark variieren und ist nicht selten um einige Prozente höher als der angewandte Satz der ESTV, was folglich auf den Ertragswert und schliesslich den Praktikerwert starken Einfluss hat.

Vergangenheitsorientierte Sicht
Die Methode stützt sich meistens (einfache Ertragswertmethode) auf die vergangenen Werte und setzt zukünftig vergleichbare Gewinne voraus. Ein potenzieller Nachfolger sieht den Kauf eines Unternehmens als Investition, die mit dem zukünftig erwirtschafteten Gewinn bzw. Cash in einer wirtschaftlich sinnvollen Dauer amortisiert werden muss. Deswegen spielt auch die zukünftige Entwicklung eine wesentliche Rolle in der Kaufpreisfindung. Ist ein Unternehmen äusserst konstant, ermöglicht der Praktikerwert mehr Aussagekraft als bei einem Unternehmen, welches sich noch in starker Wachstumsphase befindet und die Vergangenheitszahlen nicht aufschlussreich genug sind. Dieser Aspekt ist in der Preisfindung zu berücksichtigen.

Erhöhte Aussagekraft durch Methodenmix
Der Praktikerwert vereint zwar Substanz und Ertrag, berücksichtigt jedoch meistens die Zukunftsentwicklung nicht. Durch Ergänzung von weiteren Bewertungsmethoden wie die DCF-Methode (zukunftsbezogen und Cashflow basiert) oder auch die Multiple-Methoden, zwecks Plausibilisierung der erhaltenen Werte, gewinnt die Unternehmensbewertung an Aussagekraft, da die daraus erhaltenen Werte gegenüber einer isolierten Betrachtung von wenigen einzelnen Werten zielführender sein dürfte. Ein Methodenmix ermöglicht folglich eine fundiertere Basis für die Preisfindung.

Den «richtigen» Unternehmenswert gibt es auch bei Anwendung eines durchdachten Methodenmix nicht, jedoch mehr oder weniger plausible Werte, welche zur Argumentation in den Verhandlungen für einen fairen Verkaufs- bzw. Kaufpreis für beide Parteien herbeigezogen werden können.

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